Skaphoidpseudarthrose

Unter einer Kahnbeinpseudarthrose (auch Skaphoidpseudarthrose) versteht man die ausbleibende Heilung einer Skaphoidfraktur bzw. eines Kahnbeinbruchs, was zu einer Art „Falschgelenkbildung“ führt.

Sie entsteht in erster Linie durch nicht erkannte und damit unbehandelte Kahnbeinbrüche. Allerdings können in Folge der generell schlechten Durchblutung dieses Handwurzelknochens auch behandelte Kahnbeinbrüche bei ausbleibender Heilung zur Pseudarthrose führen. Einzelnen Studien zufolge liegt die Neuerkrankungsrate bei 4–11 %. 

Eine Kahnbeinpseudarthrose kann zunächst über viele Jahre unerkannt bleiben und kommt oft erst als Zufallsbefund bei einer Röntgenuntersuchung (z. B. anlässlich eines erneuten Sturzes) zur Darstellung. Das radiologische Bild einer ausbleibenden knöchernen Durchbauung einer Skaphoidfraktur im Zeitraum zwischen dem fünften und neunten Monat wird als verzögerte Frakturheilung (delayed union) bezeichnet und ist wegen der noch bestehenden Möglichkeit zur Selbstheilung von einer Skaphoidpseudarthrose abzugrenzen.

Im Lauf der Zeit kommt es zunehmend zu arthritischen Veränderungen des Handgelenks mit allmählich zunehmenden Beschwerden im Bereich des Handgelenks und der Handwurzel. Besteht eine Skaphoidpseudarthrose, wird bei 33–86 % eine Instabilität der Handwurzel mit nachfolgendem karpalem Kollaps beobachtet.


Untersuchung und Diagnose

Die meisten Patienten geben bei der Skaphoidpseudarthrose einen belastungsabhängigen Schmerz im radiodorsalen Handgelenksbereich an. Die grobe Kraft ist stark reduziert.  Bei der Betastung zeigt sich in der Regel ein deutlicher Druckschmerz im Bereich der Tabatiere. 

Die Diagnostik erfolgt durch konventionelle Röntgenaufnahmen des Handgelenks und der Handwurzel in mehreren Ebenen. Auch hier ist die Aufnahme nach Stecher von Wichtigkeit. Eine hochauflösende Computertomografie (CT) in Dünnschichttechnik zeigt das Ausmaß der Erkrankung am besten. Mit ihr lässt sich der Nachweis von Fehlstellungen, Stauchungszonen oder Verschiebungen im Skaphoid- und Handwurzelbereich hervorragend dargestellt. Die Durchblutungssituation des Skaphoids kann durch Kernspintomografie (MRT) mit Kontrastmittelgabe erbracht werden. Zur Detektion von arthrotischen Veränderungen im Handgelenksbereich kann eine diagnostische Handgelenksarthroskopie hilfreich sein.

Konservative Therapie

Eine bereits seit mehreren Jahren vorliegende Skaphoidpseudarthrose kann plötzlich, durchaus infolge eines Bagatelltraumas, symptomatisch werden und zu Schmerzen führen. Konservative Maßnahmen wie Ruhigstellung, Elektrostimulation oder Stoßwellentherapie sind selten erfolgreich. Auch die Behandlung mit niedrig gepulstem Ultraschall führt nur bei Frakturen mit verzögerter Heilungstendenz, nicht jedoch bei Skaphoid-Pseudarthrosen hin und wieder zu befriedigenden Ergebnissen.

Operative Therapie

Die unbehandelte Kahnbeinpseudarthrose führt im Lauf der Jahre zu einer zunehmenden und schmerzhaften Arthrose des Handgelenks. Deshalb sollte eine Pseudarthrose möglichst frühzeitig operiert werden.

Je früher nach dem Unfallereignis die operative Behandlung statfindet, umso geringer sind die bereits eingetretenen sekundärarthrotischen Veränderungen und umso günstiger ist die weitere Prognose für den Patienten.

Es kommen im Wesentlichen folgende operativen Verfahren zur Anwendung:

Einbringung eines konventionellen Beckenkammspanes oder Knochenspanes aus dem Unterarmknochen (Speiche) und Stabilisierung mittels einer kanülierten Doppelgewindeschraube oder einer kleinen winkelstabilen Platte

Bei diesem Verfahren wird das veränderte Knochengewebe entfernt und ein Knochenspan aus der Speiche oder dem Beckenkamm eingesetzt. Es erfolgt dann aber eine Stabilisierung mittels Schraube, so wie dies auch beim frischen Kahnbeinbruch der Fall ist. In Ausnahmefällen wird eine Miniplatte zur knöchernen Stabilisierung verwendet.

Wiederherstellung des Kahnbeins durch einen sogenannten vaskularisierten Span vom Unterarm (Speiche)

Vor allen Dingen bei Pseudarthrosen im proximalen, also körpernahen Teil des Skaphoids kommt diese Technik zum Einsatz. Hierbei wird ein gefäßgestielter Knochenspan von der Speiche in das Kahnbein implantiert und mittels kanülierter Schraube oder Bohrdrähten fixiert.

Kahnbeinrekonstruktion durch einen mikrovaskulären Knochenspan vom Oberschenkelknochen 

Bei dieser Methode wird ebenfalls ein Knochentransplantat aus dem Innen- oder Außenbereich des Oberschenkelknochens am Knie entnommen, das aber an einer Arterie und einer Vene gestielt bleibt. Dieser Gefäßstiel wird dann im Bereich des Handgelenks an eine Arterie und eine Vene mikrochirurgisch angeschlossen. Der Vorteil dieser Methode ist eine bessere Durchblutung des eingebrachten Knochenspans, der Nachteil ist ein erheblich größerer operativer Aufwand. Meist wird dieser Eingriff bei einer sehr schlechten Durchblutungssituationen des Skaphoids vorgenommen.

Für spezielle Fälle stehen weitere Operationsverfahren zur Verfügung. Manchmal wird zusätzlich die Handgelenksarthroskopie eingesetzt. Wegen der Komplexität dieses Themas sollte die operative Methode nur nach sorgfältiger Analyse des jeweiligen Falles ausgewählt werden. 

 Bei der Rekonstruktion einer Kahnbeinpseudarthrose handelt es sich um eine komplexe und je nach Verfahren mehrstündige Operation, die nur ein sehr erfahrener Handchirurg durchführen sollte. Häufig ist eine Vollnarkose erforderlich. Die Operation erfolgt in der Regel unter stationären Bedingungen, ein Aufenthalt von 2 bis 5 Tagen ist einzuplanen.

Nachbehandlung

Nach Beendigung der Operation wird im Operationssaal eine Gipsschiene für das Handgelenk angepasst. Am Entlassungstag aus der Klinik wird eine Röntgenkontrolle des Handgelenks durchgeführt. Das Nahtmaterial wird nach 12 bis 14 Tagen entfernt. Nach Abschwellen des Handgelenks kann eine zirkuläre Schiene aus thermoplastischem Material von einem Handtherapeuten hergestellt werden. Diese ist 6 bis 8 Wochen zu tragen. Danach erfolgt die erneute Röntgenkontrolle und bei Anzeichen eines knöchernen Durchbaus wird mit Handtherapie begonnen. Etwa 12 Wochen nach der Operation erfolgt nochmals eine Kontrolle mittels Dünnschicht-CT. Zu diesem Zeitpunkt kann mit zunehmender Aufbelastung des Handgelenks begonnen werden.

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